In Skandinavien leben bekanntermaßen die glücklichsten Menschen der Welt – kein Wunder, denn neben malerischen Landschaften und lebenswerten Städten punktet auch das moderne Mobilitätssystem. Zudem werden bereits seit den 1990er Jahren umfangreiche Maßnahmen umgesetzt, um die Auswirkungen des Klimawandels in der schwedischen Landeshauptstadt einzugrenzen.
Schnell und kunstvoll am Ziel
Zu einer umweltbewussten Stadt gehört neben vieler durchdachter klimagerechter Maßnahmen vor allem eins: ein nachhaltiges Mobilitätssystem. Das Herzstück des Stockholmer Nahverkehrs ist die „Tunnelbana“, die städtische U-Bahn. Die Taktung ist dabei so hoch, dass im Schnitt alle 5 Minuten eine Bahn eintrifft. Ergänzt wird das Verkehrsnetz durch Straßenbahnen und S-Bahn-ähnliche Nahverkehrszüge (Pendeltåg). Wie in vielen Hafenstädten gilt das ÖPNV-Ticket auch auf einigen Fähren. Ähnlich wie in den Niederlanden gibt es im Netz „Storstockholms Lokaltrafik“ eine wiederaufladbare Karte, in der schwedischen Hauptstadt heißt sie „SL Access Card“. Zudem besteht die Möglichkeit zum Ticketkauf am Schalter, Automaten oder per App. Ein Einzelfahrticket ist zeitlich auf 75 Minuten begrenzt. Ein Stufensystem nach Tarifzonen gibt es in Stockholm schon seit vielen Jahren nicht mehr, sodass man auch als Tourist*in nicht vor unüberwindbaren Problemen steht.
Neben familienfreundlichen Konditionen, wie zum Beispiel der kostenlosen Fahrt für Kinder bis zwölf Jahren am Wochenende, ist es auch die Optik der Stockholmer Tunnelbana, die überzeugt: 94 der 110 U-Bahnstationen erinnern mehr an eine Kunstausstellung als eine öffentliche Bahnstation. Die Arbeiten der mehr als 150 Künstler*innen reichen von Skulpturen über Mosaike, von Gemälden bis Installationen und von Inschriften bis zu Reliefs. Nicht umsonst wird Stockholms Wahrzeichen als „die längste Kunstgalerie der Welt“ bezeichnet. Wer sich bei einer Fahrt im schönsten ÖPNV-Ambiente mehr Zeit für die vielseitige Kunst nehmen will, kann sich sogar einer kostenlosen Kunstführung anschließen, die wöchentlich vom Verkehrsverbund angeboten werden. Alternativ gibt es in der SL App einen Audioguide. Beides – Führung und Guide – werden in schwedischer und englischer Sprache angeboten.
Hin zu elektrischer Mobilität
Auch auf der Straße macht Stockholm große Schritte in eine moderne Zukunft: Im Stadtentwicklungsgebiet Hagastaden wird das „Norra Stationsparken“ das siebte Parkhaus in Stockholm sein, in dem jeder der mehr als 1.000 Parkplätze mit einer Elektro-Ladestation ausgerüstet ist. Damit würde es das Parkhaus mit den meisten Ladepunkten in ganz Europa. Doch der Fokus liegt nicht nur auf Pkw, auch E-Roller werden beachtet: Ein Parkchaos der kleinen Leihverkehrsmittel – wie es auch in NRW nicht ganz unbekannt ist –, wird aktiv angegangen. Auf eigene Kosten hat der schwedische E-Scooter-Anbieter Voi 100 Parkstationen im Stadtbereich installiert, in denen Platz für je zehn Roller ist. Um den Nutzer*innen einen Anreiz zu geben, ihre Scooter platzsparend und umsichtig dort zu parken, erhalten sie im Anschluss einen Teil ihrer Leihgebühr zurückerstattet. Ohnehin wird das System „E-Scooter“ in Stockholm intensiv überarbeitet: Die steigenden Preise sollen durch ein langfristiges Jahres-Abo gelöst werden, also ein 365-Euro-Ticket für Voi. Mit gestaffelten, langfristigen Abonnements wollen Anbieter und Stadt ein strukturiertes, hochfrequentiertes, aber nicht-chaotisches flexibles Verkehrsmittel etablieren.
Die intelligenteste Stadt der Welt
Die Europäische Kommission verlieh Stockholm den Titel „Intelligenteste Stadt der Welt“ im Jahr 2020. Die Projekte und Maßnahmen, die mit dieser Auszeichnung gewürdigt wurden, beziehen sich auf die Lebensbereiche Umwelt, Digitaltechnik und Wohlergehen der Einwohner*innen. Auch wenn Stockholm – so wie viele europäische Großstädte in den vergangenen Jahren – rasant wächst, behält die Stadt ihr Klimaziel fest im Blick: CO2-Neutralität bis 2040. Das Engagement scheint zu wirken, denn seit 1999 wurden die Kohlendioxidemissionen in der Stadt um 25 Prozent pro Bürger reduziert.
Der Mensch steht im Fokus
Um die CO2-Emissionen zu minimieren, wurde unter anderem das Prinzip des „Niedrigenergiebezirks“ in Stockholm etabliert. Das Konzept umfasst die klimaschonende Sanierung kommunaler Wohnungen, ein innovatives Abfallmanagementsystem nach farblicher Trennung sowie E-Autos und Fahrräder zur Miete. Welche Mobilitätsmaßnahmen erfolgreich sind, wird durch Datenerfassung überprüft: So wurden etwa in Stadionnähe Sensoren installiert, die Daten innerhalb von 15 Minuten senden – beinahe in Echtzeit. Aufbauend auf der Auswertung dieser Daten kann die Stadtverwaltung ihre Mobilitätspolitik weiter verbessern. All diese kleinen Schritte sind auf das EU-Projekt „GrowSmarter“ zurückzuführen, dessen 12 intelligente Lösungen Stockholm umsetzt.
Leuchtturmstadt Köln
Auch die „SmartCity Cologne“ war zwischen 2015 und 2019 im EU-Förderprogramm von GrowSmarter und testete einige Partnerprojekte mit den Metropolen Barcelona und Stockholm. Das Ziel der Pilotphase, die mit 1,5 Mio. Euro gefördert wurde: Integrative Vorgehen für nachhaltige Lösungen finden – und zwar im Energiemanagement, Transport und in der Mobilität. Angelehnt an die Klimaschutzziele der EU wurden viele Maßnahmen zur Verbesserung der Luftqualität in der Stadt und der Minderung von Feinstaubbelastung und Energieverbrauch umgesetzt. Wie in Stockholm wurde auch hier eine Siedlung als Pilotprojekt ausgewählt – die Stegerwaldsiedlung in Köln-Mülheim. Die Wärmedämmung der Häuser wurde im Zuge des EU-Projektes ebenso optimiert wie die Möglichkeiten, Strom vor Ort zu erzeugen, E-Ladesäulen zu etablieren und flexible Mobilitätsmöglichkeiten in Form von (E-)Fahrrädern und Sharing-Autos anzubieten. Das innovative und zukunftsfähige Engagement in Schweden strahlt also – wenn auch erst einmal nur in Form von Pilotprojekten – bis nach NRW. Die Parkstationen für E-Scooter sind ebenfalls schon über die Landesgrenzen gekommen, jedoch wurden diese aktuell „nur“ in Berlin und Stuttgart getestet. Und auch kunstvoll gestaltete U-Bahn-Stationen lassen sich bereits an einigen Stellen in NRW entdecken – beispielsweise entlang der Wehrhahnlinie in Düsseldorf, an der Designer*innen Skulpturen, Videoinstallationen oder akustische Kulissen realisiert haben.